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Anmerkung: Der Orginaltext ist gekürzt!
Der Journalist Roland Geiger über die Arbeiten von Helmut Günter Weis
"In der Malerei ist das Geistige mit der Hand gemacht". - Théo Kerg
Bilder wie Inseln sehen und an
Über die Arbeiten, die Resultate des Künstlers Helmut Günter Weis.
Der Vergleich der Bilder aus dem Atelier von Helmut G. Weis mit Inseln ist zielend gewählt. Man zieht sich bei der Begegnung mit diesen kontemplativen Konstrukten, beobachtend zunächst, das Ergebnis auf sich wirken lassend, zurück, was aber nicht anlehnend passieren kann. Der Betrachter sitzt, oder besser noch, er steht, nicht aus einer zwangsläufigen Hochachtung heraus, sondern um mit dem Werk auf einer Höhe zu sein, ihm quasi in die Seele blicken zu können.
Manchmal entdeckt man ein Detail, das es vermag den Betrachter auf eine andere Ebene zu heben, ein Stück Wellpappe von der richtigen Form, ein Abschnitt, Abriss, an der richtigen Stelle und man beginnt, angestoßen, den winzigen Fetzen weiterzudenken, betrachtet die noch nachbebende Erschütterung als Anstoss für einen weitertreibenden intellektuellen Reiz, als Dorn im Fleisch einer bei aller Kühle letzlich ekstatischen Ästhetik.
Ich nenne Helmut G. Weis bewußt nicht Maler. Und zwar weil er seinen Freunden und Sammlern immer wieder Bild-Ideen auf reliefähnlichen Bild-Collagen vorführt, lassen Sie mich sagen inszeniert, wie eine zusammengesetzte Spielkartenkonstellation, eine objektiv ästhetisch reizvolle Ordnung zu ergeben scheinen, dies nach dem Willen des Künstlers tun.
Helmut G. Weis dirigiert den Wellpappenabriss zum Fundstück und das glatte, mit Kunststoffestrich bestrichene und mit freien Ritz-Zeichen skribbierte Medium an den für ihn optimalen Ort... Vielleicht wäre ihm die Bezeichnung eines bildenden Choreographen am ehesten stimmig zuzumessen.
Man muß diese Bilder einer haptischen Fühlungnahme unterziehen ohne sie zu berühren, muß den Profilen ihrer vielfachen Kompositionsgewichte nachfolgen, diese erfahren. Helmut G. Weis scheint mir eine ungewöhnlich bewußte Hand in der Behandlung von Pappen, Dachpappen, Wellpappen verschiedenster Providienzen, ganz normaler Pappen und Papierstärken zu zeigen, in der Registrierung von verwertungswürdigen, eventuell zufällig entstandender Verwerfungen auf dem Bildgrund an den Tag zu legen. Man spürt die ausgerichtete Besessenheit, das nie ganz Aussteigen dafür aber immer ganz Einsteigen in die Motive seiner Themen. Man nimmt die Anordnung des Ganzen in seinem Sinne an.
Die Wellpappenklänge saugen den Blick an. Strukturenschriftlinien, wahrgenommene unterschwellige Poesieschichten, Visualisierung innerer Vorgänge im Verlauf von entdeckender und verdeckender Kompositionsengagements. Im Grunde treten uns zeichenhafte "Maß"-Nahmen entgegen.
Reagieren diese Tafelbilder nicht auf unbewußte Erwartungen des Betrachters? Formulieren sie diese nicht gar erst vor? Helmut G. Weis ist sich selbst zur Freude unterwegs. Er lotet seine Vorstellungskraft aus indem er die unterschiedlichsten Bildelemente zu einem Konglomerat seiner Wahl gerinnen läßt, mit den gespeicherten Bildern seiner physischen Existenz konfrontiert, abschmeckt, und seinem Werksverzeichnis eingliedert. Der Künstler hat, was den eigentlichen, der Thematik folgenden Bildaufbau angeht, bis ins Einzelne gehende Vorstellungen, nutzt jedoch auch weiterführende Inspirationen, Findungen in Materialien, plötzliche Begegnungen und Konfrontationen, sofern diese dem eigentlichen Anstoff dienlich sind, seiner Äußerung entsprechend.
Helmut G. Weis ist kein Neutrum in einem kreativen Elfenbeinturm, kein Schöngeist, der am oft schmerzenden realen Bezug vorbeiarbeitet, diesen erst garnicht wahrnimmt. Viele seiner Bilder sind an realen Tagesbezügen festgemacht, manche gerade eben noch festgezurrt. Ereignisse, die ihn, den Menschen, den Künstler, den Staatsbürger betroffen gemacht und so stundenlang und tagelang an die Staffelei binden.
Helmut G. Weis legt sich fest. Er weiß dass er Verantwortung trägt und kennt die Qualität von Engagement und so entstehen zwangsläufig Bildtitel wie "Hoyerswerda", "Wiedervereinigung", "Kopf-über", "Völkerverständigung" oder auch "Urlandschaft", "Braunes Schandurteil", Zersplitterung oder "Achaiischer Geiger vor Gebirge"... Titel die dem Betrachter als geballte Begriffe gegenübertreten. Die Bezeichnungen sind bei Weis manchmal literarisch, seine Bilder nie. Das Gewollte, das Anliegen, ist der auslösende Erlebnisvorgang. Die bildhafte Komposition das Ergebnis eines wachen Geistes der mittels seiner Hände und einer intuitiven Wahl der Materialien, es versteht, sich auszudrücken, wenn man so will sich des Ganzen wenigstens vorübergehend zu entledigen.
So gesehen atmen manche Bilder eine regelrechte Befallenheit aus. Der Künstler arbeitet mit allem was ihm begegnet, am häufigsten jedoch in Mischtechniken. Typisch für ihn sind Krakelüren, die, merkwürdig in ihrem, wie flüchtig, wie hingewehtem Charakter, festlegend erscheinen, wunderbar befreite Gebilde, die nachhaltig optisch wirken. Fixierungen von einer Wirkung wie Fingerabdrücke. Alles in seinem Werk, wie etwa die Anordnung von Reliefkulissen aus Pappeprofilen, Farbsignale, Ritzungen, Schriften und Kohlestiftzeichen, Druckbuchstaben, Ziffern, ausnahmslos alles dient dem Künstler zur Visualisierung seiner kreativen Erregung, der Sicherung von Gedankenspuren.
Helmut G. Weis ist ein Künstler, der hinter sein Werk zurücktritt. Fast immer sind die Äußerungen, die bildhaften Laute von Helmut G. Weis, lautlos, wenn sie laut sind, wispern sie und doch sind sie eindringlich. Bilder von der Hand Helmut G. Weis sind angehaltene und dann weitergedachte Augenblicke, die uns, die Betrachter, nachhaltig anhalten. Es sind die Ergebnisse einer lebendigen, ungemein spontanen, gleichermaßen eingebracht jedoch auch kontrolliert filternden, Kreativität.
Roland Geiger, im August 1998 |
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